Religion und die Wirkung auf mein Seelenbefinden

Als Kleinkind mit 4 Jahren hatte ich ein für mein ganzes Leben prägendes Erlebnis.

Zu dieser Zeit war ich schwer krank und lag im Sterben. Der Arzt teilte meinen Betreuern mit, dass ich diese Nacht nicht überleben würde. Ich will jetzt nicht näher auf die Krankheit eingehen, nur so viel, dass sie  zu dieser Zeit (1948) unheilbar war.

Dazu muss ich vielleicht erwähnen, dass neben meinem Krankenbett unter einer Glasglocke die Statue von Jesus, auf dem Kreuz hängend, stand, so dass ich sie immer im Blickfeld hatte.

Vermutlich im Fieberwahn erwachte ich und sah ein Licht vom Fenster herein scheinen bis es dieses Kruzifix erfasste. Im hellen Strahl des Lichtes stieg der Heiland vom Kreuz herab, wuchs zu voller Größe und stand vor meinem Bett. Plötzlich war er in ein wallendes, leuchtend-weißes Tuch gehüllt. Mit weit geöffneten Armen stand er vor mir als wollte er mich umarmen. Ich, der in den letzten Tagen viel gelitten hatte, fühlte mich plötzlich warm und sicher. Dieses Gefühl nahm ich mit in das weitere Leben und suchte immer danach.

Das Unglaubliche... Ich war am nächsten Morgen geheilt. Es war ein Wunder und niemand wollte mir die Geschichte glauben. 
Sie sollten sie kennen, bevor sie über meinen Zugang zur Religion lesen

Meine Suche nach dem Heiler

Ich lernte bald, dass niemand meine Jesusgeschichte ernst nahm. Ja ich wurde geschlagen und bedroht falls ich mit dem Unsinn nicht aufhören sollte. Man drohte mir auch, mich in eine psychiatrische Klinik zu stecken. Obwohl ich als Kleinkind mit diesem Ausdruck nichts anfangen konnte, erkannte ich doch, dass er für mich eine große Gefahr und Strafe darstellen musste. Also schwieg ich und begrub meine Gefühle im Herzen.

Das war so bis ich in die Schule kam und lesen lernte. Plötzlich eröffnete sich mir die Geschichte von Jesus und warum er am Kreuz war. Mein Großvater war Kommunist daher waren meine Mutter und auch ich religionslos aufgewachsen. Die Bibel war lange Zeit mein wichtigstes Lesebuch. Ich erkannte, dass ich den Zugang zu meinem Heiler möglicherweise in der Kirche finden könnte. Ich suchte nach diesem Gefühl der Wärme und Sicherheit, das ich durch seine Präsenz erfahren hatte. Doch die auswendig gelernten Gebete und das Murmeln der Litaneien in der katholischen Kirche erschreckten mich aus irgend einem Grund zutiefst. Auch einige unschöne Erlebnisse mit katholischen Priestern führten dazu, dass ich mich von allen Kirchen abwandte. Ich habe damit sicher manchen Glaubensgemeinschaften unrecht getan.

Ich konnte aber auch kein richtiger Ungläubiger werden, denn ich hatte immer noch dieses Gefühl, den Heiler finden zu müssen. Ich unterdrückte es indem ich viele Dummheiten der Jugendlichen mitmachte
Das führte dazu, dass ich meine Gesundheit gefährdete. Mit 12 Jahren hatte ich mein erstes Magengeschwür, mit 16 meine erste Magenblutung. Ich war inzwischen Kettenraucher und alkoholkrank. Ich erkannte nicht, dass die Ursache meiner Unrast die unbefriedigte Suche nach meinem Heiler war. Ich hasste inzwischen alles, was Kirche oder Religion war.

Das blieb so bis zur Einberufung zum Bundesheer. Schon nach kürzester Zeit bekam ich Schwierigkeiten mit meinem Magen. Deshalb sollte ich entlassen und für 5 Jahre zurückgestellt werden. 

Am letzten Tag vor meiner Entlassung geschah etwas, das zu einem Schlüsselerlebnis wurde.

Dazu muss ich noch sagen, dass wir in einem Zimmer mit 25 Mann Belegung untergebracht waren. Es war Sonntag und der Dienst habende Unteroffizier kam in das Zimmer und fragte ob es hier Ministranten für die katholische Kirche am Kasernengelände gäbe. Es meldeten sich tatsächlich zwei Mann dafür.

Als sie zurückkehrten, entfachte ich ein Riesenpalaver über Religion und Kirche. Ich redete mich in Rage und prangerte alles an, was mir so einfiel. Die anderen Zimmerkollegen stimmten mit ein und es gab ein Hin und Her und die Debatte wurde immer hitziger. Es ging bis in die Nacht hinein und man beschimpfte mich bereits als Kommunist und Antichrist.
Schließlich - wir waren zu Bett gegangen - rief mich der Zimmerälteste, er hatte sich nicht an der Debatte beteiligt, zu sich und sagte: "Du hast dich jetzt wichtig gemacht, Wirtshaus-Meinungen und allerlei Unsinn verzapft, ohne eine Ahnung zu haben. Solche Leute sind gefährlich: Nichts wissen aber eine große Klappe. Aber ich sage dir: Das Werk unseres Heilands ist großartig und wahr. Du aber bist nur ein Idiot."

Das wäre für mich der Auftakt zu einer neuerlichen Debatte geworden. Doch er drehte mir nur den Rücken zu und ließ mich stehen. Er war nicht bereit weiter mit mir zu reden. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Am nächsten Tag musste ich abrüsten und ich habe diesen Mann nie wieder gesehen, doch seine Worte haben sich mir in die Seele gebrannt.  Irgendwie wurde mir klar, dass mein Leben eigentlich schief lief. Mein Magen schmerzte und der Alkohol half auch nicht viel. Ich verkroch mich in meiner Wohnung und schwelgte in Selbstmitleid. Ich war 18 Jahre alt und fühlte mich am Ende.
Das Schicksal wollte es,  dass in dieser Woche Missionare bezw. Prediger von vier Glaubensgemeinschaften bei mir anläuteten.

Mit den "Zeugen Jehovas" konnte ich am besten streiten, denn die waren nicht mundfaul und hielten gut mit. Letzten Endes machten sie doch von außen an meinem Türstock ein Zeichen, damit kein "Zeuge Jehovas" dieses Heim mehr besuchen sollte. Offensichtlich war ich doch zu engagiert in Antireligion. Die "Babtisten" erklärten mir viele Fehler, die andere christlich Religionsgemeinschaften ihrer Meinung nach machten. Sie gaben mir damit „Munition“ für spätere Debatten. Schließlich suchten auch sie frustriert das Weite. Die "Sieben Tage Adventisten" wollten eigentlich nur für Arme sammeln, ließen sich dann aber doch auf eine religiöse Auseinandersetzung ein. Immerhin nahmen sie sich dafür eine Stunde Zeit um mich "Ketzer" zu bessern.

Es begann mir Spaß zu machen.

Als Nächste läuteten zwei junge Männer an. Es waren Missionare der "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" also "Mormonen". Die kamen mir nur recht. Ich hatte Lust zu streiten.

Doch die sahen erbärmlich aus. Der eine hatte eine zerrissene Hose an. Sie waren ohne Mäntel und draußen hatte es Minus 10 Grad. Ich ließ sie herein und machte ihnen einen heißen Tee. Ich freute mich schon auf das Streitgespräch.

Doch es kam alles anders. Die Burschen fragten mich in gebrochenem Deutsch, ob sie beten dürften. Beten?... das hatten die Anderen nicht gewollt. Es war lange her, dass ich zuletzt gebetet hatte. Mir war das Beten ein Gräuel.

Entgegen meiner Überzeugung stimmte ich zu. Dennoch war es mir zutiefst unangenehm.
Da begann der eine Missionar zu beten und ich konnte es nicht glauben: Er sprach richtige normale Sätze. Er sprach mit Gott, so wie er mit mir sprechen würde, nur ehrfürchtiger. Er erwähnte wie dankbar er sei, dass sie in einer warmen Stube sitzen und Tee trinken dürfen. Er bedankte sich, dass ich sie nicht geschlagen, und keinen Hund auf sie gehetzt habe.

Ich erfuhr, dass sie aus Kalifornien kamen und noch nie so eine Kälte erlebt hatten. Deshalb hatten sie auch keine Mäntel.

Der Eine war erst eine Woche in Österreich. Ihr Deutsch war für mich fast unverständlich und mein Englisch vermutlich für sie ähnlich. Wie sollte man unter solchen Bedingungen richtig schön streiten?

Es ergab sich dann doch, dass sie mir von einem Propheten Josef Smith erzählten. Für den hatte ich dann doch einige böse Unterstellungen auf Lager. Doch diese Burschen ließen sich auf kein Streitgespräch ein. Sie waren dem Weinen nahe. Offensichtlich waren sie mit mir überfordert. Sie baten, ob sie wieder kommen dürften. Sie würden dann einen Österreicher mitnehmen. Ich war insofern überrascht, weil sie die Ersten waren, die wiederkommen wollten. Die Anderen verließen nur fluchtartig meine Wohnung. Mir war es recht. Mit einem Österreicher konnte man besser streiten.

Einige Tage später kamen sie wieder mit einem Wiener Mitglied ihrer Kirche.

Das war ein Mann nach meinem Herzen. Er sprach "Wiener Dialekt", so wie ich auch und wirkte auch sonst wie ein normaler Mensch. Nicht so gekünstelt "heilig" wie ich die Anderen wahrgenommen hatte.

Zu meiner Enttäuschung ließ er sich auf kein Streitgespräch ein. Auch er wollte beten. Er tat es auf ähnliche Weise, wie die Missionare. Als ich danach beinahe jedem seiner Worte widersprach, sagte  er im breiten Wienerisch: "Hurch zua! Mir kennan da do nix beweisen. Mir bringan da a Botschoft, de kaunst glaubn oda a net. Oba waunst wissn wüst obs woar is, gibts a Logik: Wauns an Vata im Himme gibt und du sei Kind bist, muaß er interessiert sei, dass du de Wohrheit erfoarst. Waunst oiso wissn wüst ob des wos wia sogn woar is" Er deutete auf seine Knie um klar zu machen, dass er knien meinte

"Daunn knia di nieder und frog eam söba ob des woar is.(deutsche Übersetzung: Wir bringen nur eine Botschaft, die kannst du glauben oder auch nicht. Doch wenn du wissen willst ob es wahr ist, dann gibt es eine Logik: Wenn es einen Vater im Himmel gibt und du sein Kind bist, muss er interessiert sein, dass du die Wahrheit erfährst. Wenn du also wissen willst, ob das, was wir sagen wahr ist, dann knie nieder und frage ihn selbst ob es wahr ist.)

Ich bin ein logischer Mensch - dachte ich jedenfalls bisher. Ich war so beeindruckt, dass ich bereit war einen Versuch zu wagen. Als sie weg waren ging ich in mein Kabinett, kniete nieder und begann zu einem unbekannten Gott zu sprechen:

"Ja Gott, ich weiß ja nicht ob es dich wirklich gibt, die Mormonen sagen dass du mir Antwort auf meine Fragen gibst also frage ich: Ist das was die verzapft (gesagt) haben die Wahrheit?"

Da passierte etwas sehr ungewöhnliches, für mich unvergesslich: Ich weinte.

 

Dazu muss man wissen. Meine Mutter hat mich mit dem Kochlöffel geschlagen. Mein Stiefvater hat täglich im Rausch auf mich eingeschlagen ja mich getreten. Ich habe nicht geweint. Doch jetzt weinte ich. Ich würgte den ganzen Schmerz meiner Kinderjahre heraus, fast eine Stunde lang. Schließlich lag ich erschöpft auf dem Boden und konnte es nicht glauben: Es war da...es war da... dieses Gefühl der Wärme und Sicherheit aus jener Nacht vor 14 Jahren als ich geheilt erwachte. Ja und ich wurde auch diesmal geheilt. Nicht von Krankheit, sondern von Seelenschmerz und plötzlich war mir klar: Ja es ist wahr! Mich beschlich die Gewissheit: Ich muss mein Leben ändern. Das habe ich dann mühsam auch getan. Doch das ist eine andere Geschichte.

Einen Teil dieser Geschichten, wenn auch ohne direkten Bezug auf Religion können sie in meinem Buch
"...Trotzdem lebe ich"
nachlesen. Es wird ab November 2017 erhältlich sein (siehe auch "Der Autor" auf diesen Webseiten)